Jerry Berndt. Insight.

Der amerikanische Fotograf Jerry Berndt (*1943) hat ein bemerkenswertes Oeuvre geschaffen, das jedoch weitgehend unbeachtet geblieben ist. Bereits Anfang der 70er entsteht die Serie „Nite Works“, in der Berndt nächtliche Stadtansichten unterschiedlicher amerikanischer und europäischer Städte seriell fotografiert hat und einen Spannungsbogen zwischen kommerzieller Ikonographie des Alltagslebens und einer Psychologie nächtlicher Stimmungen aufbaut. Mit ihrem konzeptuellen Hintergrund erinnern diese Serien an Arbeiten von Stephen Shore oder Ed Ruscha. Bekannt geworden ist Jerry Berndt mit der Arbeit „Combat Zone“, die zwischen 1967-1970 entstand und das Leben im Red Light Bezirk Bostons festhält, wo Berndt im Auftrag von „Harvard Medical School’s Laboratory of Community Psychiatry“ als Fotograf arbeitete. Mit Serien zur Anti-Vietnam-Bewegung Ende der 1960er Jahre und zur Obdachlosigkeit im Amerika der frühen 1980er Jahre hat er Themen behandelt, die die ungelösten Konflikte eines Landes untersuchen.

Die Serien „Combat Zone“ und „The Homeless“ zeigen konfliktgeladene soziale Milieus, in denen der Fotograf es schafft eine große Nähe zu den Porträtierten aufzubauen und gleichzeitig eine klare konzeptuelle Linie zu verfolgen. Er unterscheidet sich hier deutlich von klassischen Reportagenfotografen. Die Projekte sind über lange Zeiträume angelegt und werden durch Recherchen und Texte ergänzt. Jerry Berndts Fotografie hat viele Facetten: er arbeitet in Einzelbildern, Sequenzen und Serien und fotografiert fast ausschließlich in schwarz-weiss. Er beherrscht die konzeptuelle Dokumentarfotografie genauso sicher wie die eher impulsive und auf den Moment fokussierte Dokumentation. Collagen, Bildstörungen und von Hand beschriebene Fotografien stellen eine Nähe zur Arbeit von Robert Frank her. Berndts Bilder sind immer Ausdruck einer intensiven Auseinandersetzung und Anteilnahme. Nicht umsonst schreibt der Magnum Fotograf Eugene Richards über Jerry Berndt: „Das hier ist Fotografie als Gefühl. Jerry Berndt geht irgendwo hin und lässt uns spüren, wie es sich dort angefühlt hat, nicht bloß wie es dort aussah.“

Im Steidl Verlag erscheint der Katalog: Jerry Berndt. Insight. Edited by Maik Schlüter and Felix Hoffmann. Text by Susanne Holschbach, Kathrin Peters, Maik Schlüter and Felix Hoffmann. Book design by Steidl Design 224 pages with 109 b/w and 12 color plates. 11 x 9.4 in./28 x 24 cm. Hardcover with dust jacket. €35.00. ISBN 978-3-86521-725-7

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Die Retrospektive wird im Anschluss bei C/O Berlin, Postfuhramt, 10117 Berlin gezeigt.

Eröffnung: Do. 18.09.08, 19 Uhr

Ort: Museum für Photographie e.V.
Helmstedter Straße 1, 38102 Braunschweig, info@photomuseum.de, Tel. 0531/75000

Führungen: sonntags um 16 Uhr

Öffnungszeiten: Di-So 13-18 Uhr