Beate Gütschow
Produktpolitik

Im Dialog mit Sachaufnahmen von Albert Renger-Patzsch und Elisabeth Hase

Die Fotografie, und im speziellen, die angewandte Fotografie im Dienste der Werbung, »schuf die Stilleben des 20. Jahrhunderts, formgewordener Ausdruck des Fetischcharakters der Ware« (Herbert Molderings).

An diesem Punkt setzt die Künstlerin Beate Gütschow an. Ein wesentlicher Gedanke ihrer künstlerischer Arbeit liegt in der Frage, welche zeitgenössische Form und welcher inhaltliche Gegenstand lassen sich heute für die klassischen Genres der bildlichen Darstellung finden. Mit ihrer Werkreihe »I« betritt sie nun, nach dem Verlassen der Landschaft (die Werkgruppe »LS«) und Stadtlandschaft (die Werkgruppe »S«), den Innenraum, das Interieur, und schließt dabei das Stillleben, die Darstellung von Dingen mit ein.

Nichts jedoch haben diese Räume mit den tageslichtdurchfluteten Interieurs der niederländischen Malerei gemein – als zeitgemäße Orte fungieren nun verschiedene ›Settings‹, die an Fotostudios, Werbeateliers, Labore oder Büros erinnern. Es sind kühle, funktionalistische Räume, in denen die unterschiedlichsten Dinge auf dem Prüfstand zu stehen scheinen oder, im Fall der Fotostudios, zu ›Images‹ weiterverarbeitet werden. Ein Moment der Pause ist eingetreten, eine kurzer Aufschub, bevor sich die Arrangements möglicherweise neu ordnen werden.

War für die Surrealisten das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch noch Ausdruck von Schönheit, so wirken die Dinge in Beate Gütschows neuen Arbeiten eher verloren, ohne sinnfällige Einbindung, rätselhaft. Einige ihrer fotografierten Objekte sind Bestandteile von Automobilen, herausgerissen aus der Welt der perfekten, designten Oberfläche. Etwas ironisch klingen daher die Titel der Bilder. Es handelt sich um Zitate aus Werbeslogans, die die Künstlerin auf den Websites verschiedener Hersteller gefunden hat. »Produktpolitik« hat Beate Gütschow lakonisch die Ausstellung dieser neuen Arbeiten genannt, in der es um das Nachleben der Dinge geht, wenn sie keine Produkte mehr sind. Als Präsentationsform ihrer Arbeiten hat sie den Leuchtkastens gewählt; auch dies ist ein Verweis auf die Bildrhetorik der Werbung.

In manchen ihrer Konstellationen lässt sich Gütschow von den Fotos inspirieren, die Anbieter auf Ebay von ihren Gegenständen machen und ins Netz stellen, als Nebeneinander von Objekten, die verkauft werden sollen, aufgenommen mit dem I-Phone in der Garage oder im Hobbykeller. So trifft in Gütschows modernen Stillleben die Illusionsmaschinerie der Werbefotografie auf den kruden Realismus einer neuen Bildform des Internets. In Leuchtkästen präsentiert, erscheinen die Dinge, die ausgedient haben, die fast am Ende ihrer Verwertungskette stehen, als ausgeschlachtete Einzelteile und unheimliche Wiedergänger unserer Konsumkultur.

Als Kontrastfolie zu Beate Gütschows Dekonstruktionen der fotografischen Werbe- und Illusionsmaschinerie, sind im nördlichen Torhaus, in gemeinsamer Auswahl mit der Künstlerin, zwei Beispiele modernistischer Sachfotografie zu sehen – Aufnahmen aus Albert Renger-Patzsch‘ Serie aus dem Fagus-Werk in Alfeld/Leine sowie eine größere Sammlung von Sach- und Werbefotografien der in den 1930er Jahren in Frankfurt ansässigen Fotografin Elisabeth Hase. Begleitet von Texten zur neusachlichen Fotografie dieser Jahre zeigt sich der empathische Blick, der der fotografischen Darstellung der Dinge in jener Zeit zu Grunde liegt: als ob sich das Wesen der Dinge dem Blick der Kamera offenbaren könnte.

Courtesy für die Arbeiten von Beate Gütschow: Die Künstlerin, Barbara Gross Galerie, München; Produzentengalerie, Hamburg; Sonnabend Gallery, New York © VG Bild-Kunst Bonn 2011

Die Realisierung der Arbeiten „Was entsteht wenn Perfektion ins kleinste Detail reicht“ und „Platz für das was kommt“ wurde aus Mitteln der Stiftung Kunstfonds ermöglicht.

Die Ausstellung wird unterstützt von

Logo_Stiftung-Niedersachsen             logo_kunstfond              Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz

Niedersächsiches Ministerium für Wissenschaft und Kultur         Stadt Braunschweig Kulturinstitut

Eröffnung
10.11.11, 19 Uhr

Öffnungszeiten
Di. -Fr. 13 – 18 Uhr, Sa./So. 11 – 18 Uhr
Das Museum bleibt am 24.,25. und 26.12.11, sowie am 31.12.11 und 01.01.12 geschlossen.

Führungen
Sonntags, 16:00 Uhr

Werkstattgespräch mit Beate Gütschow
Mittwoch, 07.12.2011, 19 Uhr

Buchpräsentation von Sebastian Stumpf „a way“
Dienstag, 13.12.2011, 19 Uhr
Im Anschluss daran findet die Vorführung von Harun Farockis „Stillleben“ in der Black Box statt.