andere Situation
Romina Abate | Frank Dölling | Johanna Jaeger | Mickaël Marchand | Florian Slotawa

 

Ausstellungsort: Torhäuser, Helmstedter Str. 1, Braunschweig
Eröffnung:
30. März 2017 / 19 Uhr

(English version below)

Das Ausstellungsprojekt »andere Situation« ergründet die wechselseitigen Beziehungen und Qualitäten von Fotografie, Video, Projektion und Objektinstallationen im Zusammenhang mit ortsspezifischen Interventionen und präsentiert damit Beispiele für die Vielschichtigkeit von Positionen der aktuellen Kunst, die mit dem Medium Fotografie arbeiten.
Der Ausstellungstitel wird dabei zum Programm und verwandelt das von den Beteiligten im Kontext ihrer jeweiligen künstlerischen Konzepte fotografisch Erfasste im Zusammenspiel mit Objekten, Raumelementen und assoziativen Anordnungen. Dabei werden auch die Ausstellungsräume des Museums für Photographie Braunschweig in eine andere Wahrnehmungssituation überführt. So nimmt die Ausstellung die Mehrdeutigkeit des Titels »andere Situation« beim Wort und stellt installative Anordnungen und Interventionen vor, innerhalb derer die Fotografie und ihre bildnerischen Voraussetzungen, Bildsprachen und ästhetischen Qualitäten im Dialog zu weiterführenden Möglichkeiten künstlerischer Medien und räumlicher Bezüge verstanden werden.

Vorgestellt werden Arbeiten und Installationen von Romina Abate, Frank Dölling, Johanna Jaeger, Mickaël Marchand und Florian Slotawa. Bei Florian Slotawa haben die vier erstgenannten KünstlerInnen zu unterschiedlichen Zeiten an der Universität der Künste Berlin (Johanna Jaeger, Mickaël Marchand) und an der Kunsthochschule in Kassel (Romina Abate, Frank Dölling) studiert. Florian Slotawa, dessen künstlerische Arbeit ebenfalls im Kontext der Ausstellungsthematik betrachtet werden kann, war es auch, der den Dialog zu dem hier vorgestellten Ausstellungsprojekt förderte und selbst dabei auch mit Schwarzweißfotografien aus seiner Werkgruppe  »Atelier« vertreten ist.

Romina Abate (*1982, DE, lebt in Kassel) ist eine Sammlerin. Alltagsgegenstände, Reste, Gefundenes, Zurückgelassenes werden in ihren Arbeiten aufgehoben und in neue Sinnzusammenhänge gestellt. Es entstehen installative, humorvolle Arbeiten, die dadaistische Qualitäten haben und meist auch die Künstlerin als Selbstbildnis, in Performances, als fotografische- oder in Videoporträts zu ihrem Zentrum machen. Der Fotografie kommen dabei mehrere Funktionen zu: Sie kann einerseits neben dreidimensionalen Objekten oder Videos in raumgreifende Installationen integriert werden. Sie kann aber auch als Dokumentation dienen und diese wiederum kann Ausgangspunkt für Neues sein.

Frank Dölling (*1990, DE, lebt in Kassel) beschäftigt sich innerhalb seiner künstlerischen Arbeit mit poetisch-assoziativen Raum-Assemblagen, bei denen die Fotografie zum zentralen und kombinatorischen Ausgangspunkt wird. Fragmentarisch erscheinen die jeweiligen bildnerischen Elemente in Erzählungen mit emotionalen und körperlichen Bezügen, wobei Frank Dölling häufig auch seiner eigenen Biografie und Familiengeschichte nachspürt. In seinen Rauminterventionen erscheinen innerhalb seiner Arbeiten Porträts aus originalen Fotoalben oder privaten Bildersammlungen ebenso wie Reproduktionen oder Reinszenierungen einzelner Motive aus unterschiedlichen Zusammenhängen der Fotografie in neuen Kontexten.

Johanna Jaeger (*1985, DE, lebt in Berlin und New York) hinterfragt in ihren Bildern, Werkgruppen und räumlichen Inszenierungen u.a. die Bedingungen und Aspekte der Fotografie als Medium mit eigenständiger Gestaltungskraft. Das Verwandeln von Drei- in Zweidimensionalität, die Veränderung von ‚Welt‘ ins Bild, das Schaffen von Ausschnitten, bei denen optische Phänomene, Bildgestaltungsprozesse und Verläufe in der Zeit eine Rolle spielen, sind Eigenschaften der Fotografie, die Jaeger minimalistisch visualisiert. Im Zusammenhang mit ihrer sonstigen Arbeit thematisiert sie dabei auch einen Reflexionsprozess über die Medien Fotografie und Skulptur. Für die Ausstellung »andere Situation« wird sie u.a. ein Konzept entwickeln, das die Bedingungen und Prozesse des fotografischen Bildes in einer in situ-Arbeit, die so nur für den Zeitraum der Ausstellung existieren wird, vorstellt.

Mickaël Marchand (*1982, FR, lebt bei Paris) überschreitet mit seinen Arbeiten oft die Wände des Museums und bringt die Kunst in den öffentlichen Raum. Hier findet er auf Bürgersteigen und Straßen auch die ausrangierten Gegenstände und Dinge, mit denen er instabile Skulpturen baut, deren Einsturz vorhersehbar ist. Seine temporären Skulpturen-Arrangements fotografiert er und gibt ihnen damit eine scheinbare Dauer, denn auch die unterschiedlichen fotografischen Bilder, die entstehen, werden als Ausschnitte perspektivisch verschoben und neu kombiniert, um als Collagen zu neuen Wahrnehmungsbildern zu werden.

Florian Slotawa (*1972, DE, lebt in Berlin) Innerhalb seiner Werkentwicklung hat sich Florian Slotawa in unterschiedlicher Weise mit der Wahrnehmung von Objekt, Raum und fotografischem Bild auseinandergesetzt. Zu einem wesentlichen Moment seiner skulpturalen, bildnerischen und installativen Arbeiten wird dabei stets die Auseinandersetzung und gestaltende Neuordnung vorhandener Dinge und Begebenheiten. Es entstehen Interventionen, die das Gewohnte auch spielerisch auf den Prüfstand neuer Betrachtung stellen und neue Perspektiven eröffnen. Die Ausstellung »andere Situation« zeigt Arbeiten aus der Serie der Atelierfotos von Florian Slotawa im Dialog mit Arbeiten von KünstlerInnen, die bei ihm studierten und inzwischen ihre eigenen künstlerischen Ansätze verfolgen. Die Werkgruppe der Schwarzweißfotografien »Atelier« entstand in den Jahren 2009-2012 im Atelier des Künstlers. Als leere Raumansichten, in denen lediglich die Relikte der Grundausstattung eines ehemaligen Bürokomplexes und Details wie Lichtschalter, Kabel u. Ä. zu sehen sind,  stellen sie die Veränderung zum Atelier des Künstlers vor. Mit ihrem reduzierten Leerstand werden die Ansichten zu Metaphern für Ideen und offene Gestaltungsprozesse – mehr, als dass sie mögliche Erwartungshaltungen an ein persönlich geprägtes Atelier zeigen würden.

Gefördert durch

SBK_CO
BS_Kulturinstitut           Niedersächsiches Ministerium für Wissenschaft und Kultur

+++

The andere Situation (different situation) exhibition project explores the reciprocal relationships and qualities of photography, video, projection and object installations in the context of location-specific interventions, thus presenting examples of the many different positions in current art forms that use the medium of photography.

The exhibition’s title is programmatic: what the participants have captured in their photographs within the context of their individual artistic concepts is changed through the interaction with objects, spatial elements and associative arrangements. As part of this process, the exhibition spaces of the Braunschweig Museum of Photography are also transformed, creating a different perceptual experience. In so doing, the exhibition takes up the multiple meanings of the title andere Situation by introducing installations and interventions in which photography and its artistic preconditions, visual idioms and aesthetic qualities are set in a dialogue and interpreted to allow further possibilities of artistic media and spatial references.

The exhibition presents works and installations by Romina Abate, Frank Dölling, Johanna Jaeger, Mickaël Marchand and Florian Slotawa. The first four artists studied, at different times, under Florian Slotawa at the Berlin University of the Arts (Johanna Jaeger, Mickaël Marchand) and at Kunsthochschule Kassel (Romina Abate, Frank Dölling). Florian Slotawa, whose artistic work can also be viewed in the context of the exhibition’s theme, also encouraged the dialogue leading up to this exhibition project, in which he is represented with black and white photographs from his Atelier group of works.

Romina Abate (born 1982, German, resides in Kassel) is a collector. Everyday objects, leftover pieces, found items or things that were left behind are kept in her work and put into new contexts. The result are installation-like, humorous works featuring Dadaist qualities. The majority of the pieces focus on the artist herself in the form of self-portraits, performances and photographic or video portraits, with photography having two functions: it can be integrated into large, expansive installations, alongside three-dimensional objects or videos. But it can also serve as documentation.

Frank Dölling (born 1990, German, resides in Kassel) works with poetic-associative spatial assemblages, in which photography becomes the central and combinatorial starting point. The respective visual elements appear as fragments in narratives with emotional and physical references – narratives, in which Dölling often also traces his own biography and family history. The works he uses as part of his spatial interventions feature portraits from original photo albums or from private picture collections, as well as reproductions or restagings of individual motifs from various photographic contexts.

Johanna Jaeger (born 1985, German, resides in Berlin and New York): In her pictures, groups of work and spatial installations Jaeger questions, among other things, the conditions and aspects of photography as a medium having its own creative power. The conversion of three-dimensionality to two-dimensionality, the transformation of ‘world’ into image, the creation of aspects, in which optical phenomena, compositional processes and temporal developments play a role, are qualities of the photography that Jaeger visualises in a minimalist way. In conjunction with her other work, she also addresses a reflective process on the media of photography and sculpture. For the andere Situation exhibition, she will, among other things, develop a concept that introduces the conditions and processes of the photographic image in the form of an in situ piece, which will, in this form, only exist for the duration of the exhibition.

Mickaël Marchand (born 1982, French, resides near Paris): With his works, Marchand often goes beyond the museum walls, taking art into public space. This is also the space where, on pavements and streets, he finds the discarded objects and things he uses to build unstable sculptures destined to collapse. He photographs his temporary sculpture arrangements, thus giving them an apparent permanence: sections of the resulting photographic images are moved around to shift perspectives and are recombined to create collages giving rise to new perceptions.

Florian Slotawa (born 1972, German, resides in Berlin): In the development of his work, Slotawa has explored different ways of perceiving objects, spaces and photographic images. Engaging with and restructuring existing things and events is a recurrent and essential aspect of his sculptural, visual and installation work. The resulting interventions put the familiar on the test stand of new forms of perception, also in playful ways, and open up new perspectives. The andere Situation exhibition features pieces from Slotawa’s Atelier series set in a dialogue with works by artists who studied under him and are now pursuing their own artistic approaches. The black and white photos of the Atelier series were created between 2009 and 2012 in the artist’s studio. As aspects of empty rooms, in which we only see the remains of the basic fittings of a former office complex and details such as light switches, cables and the like, the photos represent the transformation into the artist’s atelier. With their emptiness, the room aspects become metaphors for ideas and open creative processes, rather than showing possible expectations as to what an atelier defined by the individual character of its user may look like.